BERIT BOERKE

EXPERT TALK 03

Berit Boerke in 
«BVL MAGAZIN DREI»
– 2019

«KRAFTRAUM»
Unterwegs mit Berit Börke 

Im Rahmen der Interviewreihe "Unterwegs mit" besuchte die BVL Magazin-Redaktion TX Logistik in Köln. BVL TV war dabei  und hat Berit Börke, Vorstand Vertrieb TX Logistik AG, und Prof. Thomas Wimmer, Vorsitzender der BVL-Geschäftsführung, bei ihrem Rundgang begleitet.

 
 
 
 
 
 
 
 
 

BB »Wir müssen Voraussetzungen für echte Interoperabilität schaffen.«

Die Nachfrage nach Schienengüterlogistik besteht – davon überzeugte sich Prof. Thomas Wimmer in Köln-Eifeltor. Berit Börke, Vorstand Vertrieb bei der TX Logistik AG, zeigte dem Vorsitzenden der BVL-Geschäftsführung eine der wichtigsten Großumschlaganlagen des kombinierten Verkehrs (KV) in Europa. Zur Zukunft des KV sprachen beide über Chancen für den Modal Shift, Infrastrukturmanagement und Wünsche an Europa.

 

Prof. Thomas Wimmer: »An den Gleisen und Wagen habe ich viel Mechanik gesehen, viel passiert von Hand. Alle reden von Digitalisierung – ist die Bahn da auf dem richtigen Weg?«

BB »Dein Eindruck ist richtig, Waggons werden in der Regel noch mit der Hand gekoppelt. Andere Branchen sind da weiter. In Sachen Asset Intelligence ist in den letzten Jahren jedoch viel passiert. Das gilt für moderne Wagen ebenso wie für Multisystemlokomotiven, die wir zum Beispiel auf der Nord-Süd-Achse einsetzen. Sie verfügen über Sensortechnik und übertragen Daten wie Temperatur, Druck, Geschwindigkeit und Bremsverhalten, sodass wir proaktiver arbeiten können. Viele Akteure sind heute über EDI-Schnittstellen oder Web-Services vernetzt. In anderen Bereichen sind wir von Digitalisierung aber noch weit entfernt.«

 
 

TW: »Hast du ein Beispiel?«

 

BB »Ein Beispiel ist die Trassenplanung, die in Deutschland quasi noch maßgeschneidert erfolgt, von Hand gemacht. Dies dauert oft lange und hemmt uns bei der Entwicklung von Betriebskonzepten und neuen Angeboten. Um Kapazitäten besser ausschöpfen zu können, bedarf es auch eines Schubs bei der Digitalisierung der Infrastruktur. Wir könnten die Dichte des Netzes viel stärker erhöhen, wenn wir in Deutschland schon das Zugsicherungssystem ETCS – das European Train Control System – und digitale Stellwerke hätten. Also: Der eingeschlagene Weg ist richtig, aber Beschleunigung ist notwendig.«

 
 

TW: »Mir ist aufgefallen, dass Spontaneität bei der Bahn nicht gut funktioniert. Eine Lok kann man zum Beispiel für Fotoaufnahmen nicht mal eben schnell woandershin fahren – wie wir es heute angedacht hatten.«

 

BB »Ja, die Lok hätte natürlich erst aufgerüstet werden müssen. Du bekommst heute einen kleinen Einblick und siehst, dass Schienenlogistik ein hochkomplexes System ist. Das unterschätzen viele und denken, einen Zug von A nach B zu fahren, kann doch nicht so schwer sein. Wir fahren unsere Güterzüge in länderübergreifenden Verkehrskorridoren, zum Beispiel von Skandinavien bis Italien. Das bedeutet länderspezifische Zulassungen, unterschiedliche nationale Regelwerke und Sicherheitssysteme – und das ohne einen einheitlichen Sprachstandard wie in der Luft- oder Schifffahrt. Lokführer müssen nicht nur die jeweiligen Streckenkenntnisse immer wieder nachweisen, sie müssen auch die Landessprachen beherrschen.«

 

TW: »Wir reden alle über Umweltschutz, Verlagerung von Güterströmen, überlastete Straßen. Aber die letzte Meile werdet ihr mit der Bahn naturgemäß nie hinkriegen. Wo siehst du die Entwicklungspotenziale?«

BB «Wir haben viele zufriedene Kunden und spüren täglich die Nachfrage nach zusätzlichen Leistungen. Der von allen so gewünschte Modal Shift ist aber eben«Auf diese Herausforderungen müsste mit passenden Rahmenbedingungen und einer sicheren, langfristig ausgerichteten Finanzierung reagiert werden.

BB «Im Vordergrund muss stehen, die Netze robuster zu machen, die Trassen- und Terminalkapazitäten auszuweiten und besser zu nutzen sowie die Digitalisierung auf nationaler und internationaler Infrastrukturebene für beschleunigte und durchgängige Prozesse voranzutreiben.«

 
 
 

Mit rund drei Prozent Zunahme pro Jahr galt der kombinierte Verkehr lange als Wachstumsmotor im Schienengüterverkehr.

BB «Um Emissionen in geplantem Umfang zu senken und die Straße zu entlasten, muss es aber deutlich mehr werden.«

 
 

Sie fordert, die Wettbewerbsbedingungen anzugleichen, indem beispielsweise die Kostenbelastung zur Nutzung der Schiene an die der Straße angepasst werde. Die starke Regulierung des Schienengüterverkehrs mit unterschiedlichen Bestimmungen in den einzelnen Ländern verteuere die Dienstleistung. Daher ist es ein Anliegen von ihr, dass innerhalb der Europäischen Union auch die Vorschriften hierzu harmonisiert würden. Der kombinierte Verkehr sei ressourcenschonend und sehr sicher.

 
 

BB «Insofern sehe ich weniger eine Konkurrenz zwischen der Schiene und der Straße als vielmehr die Aufgabe, die Vorteile der verschiedenen Verkehrssysteme so zu aktivieren, dass neue Angebote entstehen.«

 

Schließlich würden aus ihrer Sicht alle Verkehrsträger gebraucht – ob Straße, Schiene, Schifffahrt oder Luftfracht, um global stabile Lieferketten zu gewährleisten.Doch auch die Unternehmen selbst seien in Sachen Produktgestaltung gefragt.

BB «Wir nutzen beispielsweise Systeme wie ‚Nikrasa‘ und ‚R2L‘, um nichtkranbare Sattelauflieger bahnfähig zu machen beziehungsweise mit dem gleichen Equipment Sattelauflieger und Nutzfahrzeuge zu transportieren. Durch diese Kombination von unterschiedlicher Ladung erreichen wir eine wirtschaftlichere Auslastung und machen den Schienengüterverkehr zudem flexibler.«